Einführung

Johann Schoon (* 26. Januar 1894 in Spetzerfehn, Kr. Aurich/Ostfriesland; † 19. Mai 1968 in Sanderbusch, Kr. Friesland) war ostfriesischer Heimatschriftsteller.

Inhalt

Der „Hermann Löns Ostfrieslands“

In dem Geburtshaus Johann Schoons in Spetzerfehn  ¹   (Gemeinde Großefehn), das heute nicht mehr steht, gingen viele Menschen ein und aus. Es befand sich am Unterende Nord (westlich vom Friedhof I – direkt am Ostfriesland-Wanderweg in der Nähe der Mühle) und beherbergte Post und Gastwirtschaft, war Bahnstation und Anlaufstelle für die Fehntjer Schiffer. Trotz aller Geschäftigkeit hatte man Muße und tauschte sich aus, auch über vergangene Zeiten: die Besiedlung des Fehns, die Franzosen-Zeit oder die Schiffer mit ihren gefährlichen Fahrten auf hoher See. Aus solchen Quellen konnte der Heimatschriftsteller Johann Schoon ein Leben lang schöpfen.

Eigentlich hätte der begabte und sensible Junge aus einfachen Verhältnissen Lehrer werden sollen – doch der Plan scheiterte. So wurde er von der Auricher „Präparande“ verwiesen, der Vorbereitungsschule für das Lehrerseminar, die er schon mehrere Jahre besucht hatte. Der Grund: Er hatte verbotenerweise Sherlock-Holmes-Romane gelesen.

Das Ereignis sollte lange nachwirken, Schoon wurde immer wieder von Selbstzweifeln geplagt, die mit biografischen Brüchen und Lebenskrisen einhergingen. So übte er im Laufe der Zeit verschiedene Tätigkeiten aus, arbeitete als Postbote, Büroangestellter und nach dem 2. Weltkrieg als Handelsvertreter für Tee. In den letzten beiden Lebensjahrzehnten trat mehr und mehr seine eigentliche Berufung in den Vordergrund: das Wirken als Dichter und Schriftsteller.

In den 1920er Jahren begann Johann Schoon seine Werke in verschiedenen ostfriesischen Zeitungen und Periodika zu veröffentlichen. Zuerst Balladen und Gedichte, in denen sich seine Erfahrungen als Soldat im 1. Weltkrieg niederschlugen, später auch plattdeutsche Geschichten und Lyrik sowie ab 1950 Hunderte von Texten auf Hochdeutsch über seine Heimat, darunter viele naturkundliche Beiträge. Es waren vor allem diese Geschichten über die Tier- und Pflanzenwelt seiner Heimat, die zu seinem Ruf als „Hermann Löns Ostfrieslands“ beitrugen.

Neben der literarischen Tätigkeit wirkte Schoon jahrelang am Hochdeutsch-Plattdeutschen Wörterbuch von Otto Buurmann mit, was mit der Veröffentlichung zahlreicher sprachkundlicher Zeitungsartikel einherging.

Wichtig waren ihm außerdem verschiedene ehrenamtliche Tätigkeiten und Mitgliedschaften, so in der Autorenvereinigung „Schrieverkring“ und in den Arbeitsgruppen „Volkskunde und Brauchtum“, „Wissenschaft und Literatur“ sowie „Naturkunde und Naturschutz“ der Ostfriesischen Landschaft. Außerdem war er ehrenamtlicher Mitarbeiter des Deutschen Wetterdienstes (Phänologischer Dienst).

Das Besondere an Schoons literarischem Werk ist die Bandbreite: Lyrik und Prosa, Hochdeutsch und Plattdeutsch. In allem hob er sich vom Durchschnitt ab.

1966 wurde er mit dem Freudenthal-Preis für niederdeutsche Literatur ausgezeichnet.

Johann Schoon war ein Heimatschriftsteller im besten Sinn: Er liebte Ostfriesland und sein Fehn und richtete doch seinen Blick immer auch in die Ferne, war weltoffen und an allem interessiert.

Die Zeit des Nationalsozialismus

Johann Schoon und seine Frau Nanny erlebten und durchlebten vier unterschiedliche politische Systeme: die Kaiserzeit, die Weimarer Republik, den Nationalsozialismus und die Bundesrepublik. Wo waren sie zuhause?

Von Johann Schoon ist überliefert, dass er vor 1933 die nationalliberale Deutsche Volkspartei (also die Partei Gustav Stresemanns) wählte. Vom Milieu her konservativ, in der Inflation verarmt durch wertlos gewordene Kriegsanleihen, dienten Johann und Nanny Schoon dem Nationalsozialismus – und waren doch weit davon entfernt, fanatische Nazis zu sein. Wie die allermeisten Zeitgenossen machten sie mit und verschlossen die Augen vor dem, was sie hätten sehen können.

Johann Schoon trat 1935 in die NSDAP ein, seine Frau 1937. Ihre politische Einstellung in jener düsteren Ära ist in dem Buch dokumentiert „Wir werden auch weiterhin unsere Pflicht tun – Kriegsbriefe einer Familie in Deutschland 1939–1945“ (Hg. A. Wojak; Bremen 1996).

Wahrscheinlich spielten bei ihrer Haltung zum Nationalsozialismus auch Opportunitätsgründe eine Rolle: Wirtschaftlich ging es ihnen nicht gut, sie hatten mit privaten Problemen zu kämpfen, und dennoch ermöglichten sie zweien ihrer drei Kinder den Besuch des Gymnasiums. Sie wollten offenbar unter keinen Umständen „auffallen“, zumal ihre jüngste Tochter (1928-2016) schwerbehindert war und in Gefahr stand, Opfer der NS-Euthanasie zu werden.

Johann Schoons Einstellung war geprägt von der Lutherschen Lehre, wonach der Obrigkeit zu gehorchen sei. Gleichwohl setzte er bemerkenswerte Akzente gegen den Zeitgeist. Als Soldat auf der Schreibstube fand er sogar mitten im Krieg Muße, sich mit Literatur zu beschäftigen, las Werke Wilhelm Raabes und anderer Autoren. In einem Brief an seine Frau (1942) schreibt er: „Solche Bücher sind nach Ansicht mancher Zeitgenossen nicht zeitgemäß, denn Mars regiert die Stunde und zackig und stramm sind Trumpf. Aber die Nebenmelodie kann solche schmetternde Musik nicht übertönen, es läuft doch soviel Jammer und Herzensnot nebenbei.“

In dem Brief zitiert er Goebbels‘ Forderung: „Wir müssen hart werden wie unsere Soldaten und nach dem Krieg noch härter“. Schoons Kommentar dazu: „ … deshalb brauchen wir uns nicht vor dem Schönen und Guten, vor dem Gefühl und der Weichheit zu verschließen. Es ist wohl am besten, wenn man hart gegen sich selbst und weich gegen andere ist, d.h. nicht nachgiebig, sondern verständnisvoll.“ Solche Formulierungen wurden in damaligen Zeiten durchaus als defätistisch eingestuft.

Zwischen 1933 und 1945 hat Johann Schoon nur wenige Texte verfasst, eine ideologische Nähe zum Nationalsozialismus ist nicht erkennbar. Er war nicht Mitglied der NS-Reichsschriftumskammer.

In einem nicht zur Veröffentlichung bestimmten kurzen plattdeutschen Rollen-Text (ca. 1965) deutet der Heimatschriftsteller an, dass er bedaure, gegen das Nazi-Unrecht nicht seine Stimme erhoben zu haben.

Sprache und Inhalt als Spiegel der Zeitumstände

Texte aus vergangenen Zeiten – auch wenn sie nur wenige Jahrzehnte zurückliegen – spiegeln in Form und Inhalt immer auch die Zeitumstände sowie oft auch die persönliche Einstellung und Weltanschauung des Autors bzw. der Autorin wider. Dies gilt auch für Johann Schoon.

Manches erscheint hochaktuell – insbesondere seine ökologisch geprägte Naturbetrachtung –, anderes dagegen aus heutiger Sicht überholt, etwa sein sehr traditionelles Frauenbild oder auch der Umstand, dass – soweit gelegentlich von Kindern und Kinderwelten die Rede ist – die Perspektive einseitig auf Jungen ausgerichtet ist. Auch Form und Sprache wirken häufig unzeitgemäß, so der Pathos der frühen Gedichte oder auch heute – zu Recht – als diskriminierend empfundene Bezeichnungen wie „Neger“.

Auch Tiere zu vermenschlichen – wie es Schoon in seinen Tiergeschichten öfter tut – wird inzwischen eher kritisch gesehen.

Andererseits: Seine Haltung gegenüber anderen Menschen war niemals herabsetzend oder abwertend. Aus diesem Grund werden fast alle Texte in Originalfassung präsentiert.

Auf zwei Aspekte sei besonders hingewiesen:

1. In den 1950er und 1960er Jahren – als die meisten Texte Schoons entstanden – war die Zeit des 2. Weltkriegs noch sehr gegenwärtig. Es wurde viel über den Krieg geredet, allerdings nicht reflektierend und kritisch, wie in späteren Jahren, sondern der Krieg war weitgehend auf persönliche Erfahrungen und Erlebnisse reduziert. Dieses Phänomen spiegelt sich auch in den Texten Johann Schoons, für den überdies der 1. Weltkrieg, in dem er ebenfalls Soldat gewesen war, noch nahe war.

Auch wenn sich der ostfriesische Heimatdichter mit weltanschaulichen Bekenntnissen zurückhält, so lässt sich doch eine eher pazifistische Grundhaltung, die offenbar auf seine Kriegserfahrungen zurückgeht, gerade in seinen späteren Lebensjahren „zwischen den Zeilen“ mancher Texte erkennen. Diese Haltung wurde noch verstärkt durch die in den 1950er und 1960er Jahren verbreitete Angst vor einem Nuklearkrieg. So taucht das Thema „Atom“ immer mal wieder am Rande seiner Geschichten auf.

2. Die Einteilung von Wildtieren und Wildpflanzen danach, ob sie dem Menschen „nützlich“ oder „schädlich“ sind, war sehr viel schärfer ausgeprägt als heute. So galten etwa Spatzen als „unnütze“ Vögel, die auf dem Land praktisch von jedem gejagt werden durften, ebenso wie das Töten von Maulwürfen üblich war. Vor diesem Hintergrund sind auch manche Texte oder Textstellen bei Johann Schoon zu sehen, in denen er die anthropozentrische Sichtweise in Frage stellt.

Umfang des Nachlasses

Von Johann Schoon sind etwa 600 Prosatexte und 120 Gedichte überliefert, sowohl auf Hochdeutsch (ca. 80 Prozent) als auch auf Plattdeutsch (ca. 20 Prozent). Der vollständige Nachlass befindet sich in Familienbesitz.

Den Schwerpunkt der vorliegenden Auswahl bilden rund 250 hochdeutsche Texte mit vor allem naturkundlichen Themen. Hinzu kommen 15 plattdeutsche Prosa-Texte sowie 19 Gedichte (13 hochdeutsch, 6 plattdeutsch).

Die Texte sind zumeist als undatierte Zeitungsabdrucke überliefert, sie entstanden ab 1920 (zunächst fast ausschließlich hochdeutsche Gedichte) bis kurz vor Schoons Tod 1968. Hinzu kommen einige maschinenschriftliche Texte.

Abgesehen von zwei in den 1920er Jahren angelegten „Gedicht-Heften“ (mit zahlreichen veröffentlichten Gedichten) bestand der Nachlass ursprünglich aus einer sehr umfangreichen „Lose-Blatt-Sammlung“. Diese wurde nach dem Tod Johann Schoons (1968) von seiner Frau Nanny (1897-1985) und vor allem von seinem Sohn Albert Schoon (1925-1993) geordnet. Teile des Nachlasses wurden überdies von D.H. Schmidt, Johannes Diekhoff und Andreas Wojak bearbeitet.

Soweit einzelne Zeitungsabdrucke unleserlich waren, wurden sie ganz oder teilweise neu abgeschrieben.

Die hochdeutschen Prosa-Texte (alle ab 1950) sind, um das Lesen zu erleichtern, thematisch geordnet („Bäume und Pflanzen“, „Tiergeschichten“, „Kultur und Brauchtum“ usw.). Dabei waren Überschneidungen und auch Wiederholungen unvermeidlich. Die im Original-Layout präsentierten Artikel enthalten gelegentlich Druckfehler.

Schoons Gedichte, Geschichten und Artikel erschienen überwiegend in den Ostfriesischen Nachrichten sowie der Ostfriesen-Zeitung, außerdem im Anzeiger für Harlingerland, im Generalanzeiger Rhauderfehn, im Ostfriesischen Kurier und in der Rheiderland Zeitung. Veröffentlichungsorte waren darüber hinaus verschiedene Periodika (Eala Frya Fresena; Harlinger Heimatkalender; Ostfreesland-Kalender; Ostfriesland – Zeitschrift für Kultur, Wirtschaft und Verkehr; Plattdüütsch Klenner u.a.).

1989 erschien im Verlag Schuster (Leer) posthum eine schmale Auswahl aus Schoons Werk, allerdings ohne Berücksichtigung der naturkundlichen Texte sowie der hochdeutschen Gedichte: „Wulfsblömen – Hoch- und niederdeutsche Geschichten und Gedichte“. Das Buch ist beim Verlag erhältlich.

Kriterien für die Auswahl

Jede Literatur-Auswahl ist naturgemäß subjektiv. Zwei Motive bestimmten die hier vorgelegte Auswahl:

Zum einen bilden vor allem die hochdeutschen Texte über Natur sowie Land und Leute einen großen Fundus im Hinblick auf eine inzwischen nicht mehr existierende ostfriesische Lebenswelt.

Zum anderen soll der Autor Johann Schoon in seiner literarischen Vielfalt und Bandbreite gezeigt werden. Neben leisen und tiefgründigen Texten werden auch einige Gedichte voller Pathos aus den 1920er Jahren präsentiert (wie „Normannenschlacht“), über die die Zeit hinweggegangen ist und die Schoon selbst später sehr kritisch sah. Bemerkenswert bleibt, wie er als Autodidakt aus einfachen Verhältnissen sich mit einigem Erfolg und auch Können an „große“ Themen herantraute. So schafft es Schoon etwa mit dem Gedicht „Der letzte Weg“, das – angebliche – Drama um Störtebekers letzte Stunde auf gerade einmal 16 Verszeilen zu konzentrieren.

Was das Gesamtwerk Johann Schoons angeht, ist zu berücksichtigen, dass er aus finanziellen Gründen unter fortdauerndem „Schaffensdruck“ stand und nicht selten die „Kunst des Schnellschreibens“ bemühen musste. Auch so manche Texte etwa über einzelne Ortschaften seiner Heimat entstanden ohne jede literarische Ambition. Diese Artikel wurden dennoch in die Auswahl aufgenommen, sofern sie historische bzw. heimatkundliche Informationen vermitteln.

Die Text- und Gedichtsammlung richtet sich an unterschiedlich Interessierte. Sie kann genutzt werden als „Fundgrube“ für die Geschichte von Natur und Landschaft Ostfrieslands oder auch des „eigenen“ Dorfes. Oder aber aus literarischen Gründen. Sie soll darüber hinaus einladen, einfach zu „stöbern“ und auf interessante Themen zu stoßen. Ältere Nutzer/innen, vor allem wenn sie auf dem Land groß geworden sind, werden möglicherweise an ihre eigene Kindheit erinnert, während jüngere etwas über die Lebenswelten ihrer Eltern, Groß- oder Urgroßeltern erfahren.

Aktualität und Bedeutung des Werks

„Unsere Generation hat sich unbestreitbar das größte Verdienst um die Umwandlung der Landschaft in eine Kultursteppe, um die Zerstörung des Gleichgewichts in der Natur erworben … Aber denen, die nach uns kommen, wird die Rückendeckung fehlen, um den unausbleiblichen Gegenschlag der Natur abzuwehren.“ (Johann Schoon: „Sünden gegen die Natur“)

Was Schoon hier als „Kultursteppe“ bezeichnet, war um 1960 herum, als er diese Zeilen schrieb, erst in Ansätzen sichtbar. Zwar hatte der Naturschutz in Deutschland schon eine lange Geschichte hinter sich und es gab durchaus Erkenntnisse etwa über einen starken Vogelschwund. So werden in einem 1950 veröffentlichten Zeitungsartikel für Niedersachsen als bedroht genannt: Uhus, Adler, Auerhähne, Haselhühner, Schwarzstörche, Kraniche, Wanderfalken, Birkhühner, Goldregenpfeifer, Blauraken, Wiedehopfe, Eisvögel („Viele Vogelarten drohen auszusterben“, in: „Heimatkunde und Heimatgeschichte“, Beilage der Ostfriesischen Nachrichten, 16/1950). Bemerkenswert ist auch ein Appell unter dem Motto „Unsere Verantwortung für die Schöpfung“, den 1961 Vertreter/innen von Kirche und Naturschutz an die Öffentlichkeit richteten und in dem die „rücksichtslose kommerzielle Ausbeutung der Landschaft“ angeprangert wird („Mehr Schutz der bedrohten Landschaft“, in: „Unser Ostfriesland“, Beilage zur Ostfriesen- Zeitung, 7.1.1961)

Dennoch war Naturschutz damals kein relevantes Thema, weder gesellschaftlich noch politisch. Im Gegenteil: Ausgehend von einem Verständnis, Erde und Natur vor allem als Wirtschaftsobjekt zu sehen und zu behandeln, das der unbeschränkten Vermehrung des menschlichen Wohlstands zu dienen habe, sowie dem kindlichen Glauben, dass mit immer neuen technischen Mitteln alles zu erreichen sei einschließlich der Lösung möglicher Probleme, nahm eine nie dagewesene industriell-zivilisatorische Entwicklung ihren Lauf. Deren Folgen hat Johann Schoon in fast prophetischer Weise vorausgesehen: Er nennt sie den „unausbleiblichen Gegenschlag der Natur“. Heute wissen wir um die Bedrohung der Zivilisation durch Klimawandel, Mikroplastik, Artensterben und Migration.

Was den ostfriesischen Heimatschriftsteller zu seiner Auffassung brachte, die damals nur wenige Menschen teilten, waren nicht wissenschaftliche Erhebungen (die es zu ökologischen Themen erst ansatzweise gab), sondern sein besonderes Gespür für die Belange der Umwelt. Er ging mit stets wachem Auge durch Landschaft und Natur, erfuhr auch so manches aus Gesprächen mit den Landbewohnern und brachte seine Eindrücke zu Papier.

Während die literarische Qualität vieler Texte Schoons zu seinen Lebzeiten in hohen Tönen gelobt und gewürdigt wurde, wie auch sein Blick für die kleine und unscheinbare Welt seiner Heimat – ob in der Natur oder bei den Menschen –, so wurde seine Kritik etwa an der Intensivierung der Landwirtschaft übersehen und ignoriert. Man liebte und schätzte den Heimatschriftsteller als Verfasser „besinnlicher“ oder auch tiefsinniger Geschichten und Gedichte.

In der Tat sind unter diesen Texten kleine Meisterwerke, die ein Erinnern rechtfertigen. Vor allem ist es aber der große Zusammenhang und die Botschaft, die in vielen Texten Schoons durchschimmert und sein Werk aktuell macht: die Menschheit befindet sich auf einem bedenklichen Weg.

Interessant sind in diesem Zusammenhang Parallelen zwischen Johann Schoon und seiner Nichte Greta Schoon (1909-1991), die – nicht nur aus familiären Gründen – zeitlebens in Verbindung standen. Sie stammte aus demselben Haus in Spetzerfehn wie ihr Onkel und erlangte als Verfasserin plattdeutscher Lyrik sowie von Kindergedichten und -geschichten über Ostfriesland hinaus Bekanntheit.

Auch im Werk von Greta Schoon werden Entwicklungen und Erscheinungen der Moderne mit der Möglichkeit einer Selbstzerstörung der menschlichen Zivilisation thematisiert. Nuklearbedrohung, Krieg, Hass und Leid sowie die Zerstörung der Umwelt regten sie zu mehreren eindrucksvollen Gedichten an, darunter „Un du wullt slapen“ (1961), „Dat wi överleven“ (1976) und „Wi Kinner ut alle Lann‘“ (1985).

Ein weiterer Grund, Johann Schoon neu zu entdecken: In seinen Texten über Natur und Land und Leute und manchen Gedichten lebt eine Welt auf, die weit von den heutigen Verhältnissen entfernt ist, obwohl sie erst einige Jahrzehnte zurückliegt. Es ist eine Welt, an die sich ältere Bewohner Ostfrieslands noch gut erinnern. Da werden Tiere, Pflanzen und Landschaften beschrieben, die es heute gar nicht mehr oder nur noch selten gibt. Ähnlich verhält es sich mit den Menschen: Die Originale, die Charakterköpfe, die Johann Schoon so liebte und denen er eine Stimme gab, sind deutlich weniger geworden.

„Wir brauchen … Dichter, Künstler und Musiker, welche die Liebe zur Natur wieder wecken.“ Das sagt die Kulturhistorikerin Andrea Wulf und Biografin Alexander von Humboldts (DIE ZEIT 21.2.2019). Das Problem des Klimawandels dürfe nicht „den Geo-Ingenieuren, Naturwissenschaftlern und anderen Experten“ überlassen werden, sonst werde eine Lösung nicht gelingen.

Um „Liebe zur Natur“ geht es auch in dem Werk Johann Schoons. Aus seinem Text „Sterbende Bäume“:

„Eine indische Weisheit lautet: ‚Alles, was lebt, sind deine Brüder und deine Schwestern.‘ Wer will bestreiten, daß auch die Bäume leben? Sie wachsen, grünen, blühen und bringen Frucht. Der Saftstrom steigt blutgleich bis in die letzten Verästelungen, sie atmen und nehmen Nahrung auf. Ob es Sentimentalität ist, daß mich ihr Sterben packt?“

Es ist keine Sentimentalität, die den Heimatschriftsteller bewegte, sondern ein hohes Maß an Sensibilität. Manchmal stand ihm diese Sensibilität, das übermäßige Empfinden für das Leiden um ihn herum, im Weg. Andererseits ermöglichte ihm diese Gabe, die Natur in feinen Tönen zu beschreiben – und die Verbindung mit dem, was um uns herum ist und was uns trägt, sichtbar zu machen.

Obwohl viele Texte Schoons eine deutliche Kritik an modernen Wirtschaftsweisen zu Lasten von Tier- und Pflanzenwelt enthalten und obwohl immer wieder ein zivilisationskritischer Unterton zu spüren ist, verfügte er gleichzeitig über einen ausgeprägten Humor. Auch hier bevorzugte er eine eher feinsinnige Art des Schreibens. So karikierte er in durchaus kunstvoller Weise menschliche Typen mit ihren Schwächen und Eigenarten, vor allem in einigen plattdeutschen Texten („Pollo sall proten lehrn“ oder „Dat Tügengeld“). Auch über sich selbst konnte er lachen, etwa über seine unpraktische Art und sein mangelndes Technikverständnis („Das Herkules-Moped erzählt“). Die Quintessenz seines Lebens pflegte er gerne mit einem Augenzwinkern in wenigen Zeilen auszudrücken:

Dat Leben is een Wüppwapp,
‘t geiht alltiet up un daal.
Mal is’t ‘n düchtig Elend
un denn gifft weer ‘n dicken Aal!

Dank

Ein großer Dank für die Erlaubnis zur Veröffentlichung von Texten Johann Schoons sowie weiterer Dokumente geht an die Ostfriesischen Nachrichten, die Ostfriesen-Zeitung, den SKN Verlag Norden, den Anzeiger für Harlingerland, den Generalanzeiger Rhauderfehn, die Rheiderland Zeitung, den Verlag Schuster Leer sowie an Dr. Hans-Günter Müller-Harms (Verlag Ernst Völker, Oldenburg).

Der Ostfriesischen Landschaft sei für ideelle Unterstützung herzlich gedankt.

Für die Bereitstellung von Dokumenten und anderweitige Hilfe gilt außerdem ein herzlicher Dank

___________________________________________________________________________________________________

Text und Auswahl des Nachlasses: Andreas Wojak (Enkel Johann Schoons) ² .

Mitarbeit: Hanna Bayne, Monika Wojak (Enkelinnen) sowie Anne Janßen, Manfred Richter.

Ideelle und begleitende Unterstützung: Wolfgang Wojak, Bernd Schoon, Antje Schoon-Lim, Sünke Schoon (Enkel/innen).

__________________________________________________________________________________________________

Hinweis zu Text-Doppelungen

Einige Texte Johann Schoons finden sich auf dieser Website mehrfach, zum einen in der Rubrik „Texte von Johann Schoon“, zum andern in der Rubrik „Texte über Johann Schoon“, und zwar vor allem in folgenden Beiträgen:

Das Gedicht Johann Schoons „Eine Stunde sei dein“ ist auch in dem Buch „Herzwärts – Geschichten, die die Seele wärmen“ (herausgegegen von A. Wojak, Eschbach Verlag 2019) abgedruckt.

___________________________________________________________________________________________________

¹ Weitere Informationen zu Spetzerfehn und zur Fehnkultur:

² In „Ostfreesland – Kalender für jedermann“ (2010) ist ein Text von A. Wojak veröffentlicht, in dem er – auch vor dem Hintergrund der Schoon-Texte – über Kinderwelten in seiner ostfriesischen Heimat in den 1950er und -60er Jahren berichtet: „Ostfriesland. Land meiner Träume, Land meiner Kindheit“.